13. Juni 2000

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Mönche von Reting nach Protest wegen der Reinkarnation festgenommen

Auch im Kloster Reting in Kreis Lhundrub wurden die Sicherheitsvorkehrungen im Zusammenhang mit der Festnahme von 8 Mönchen im vergangenen Monat verstärkt. Einem zuverlässigen, TIN zugegangenen Bericht zufolge befinden sich die Mönche, die wegen der Bestimmung von Sonam Phuntsog zu der Reinkarnation des 6. Reting Rinpoche protestierten, derzeit in dem Kreishaftzentrum von Lhundrub. Unbestätigte Informationen lassen darauf schließen, daß die Mönche eines Komplotts zur Ermordung des zwei Jahre alten Sonam Phuntsog, der im Januar d.J. in dem Kloster inthronisiert wurde, angeklagt sein könnten.

Berichten nach wurde seit dem Protest in Reting, dessen Einzelheiten noch nicht bestätigt wurden, Besuchern der Zutritt zu dem etwa 100 km nördlich von Lhasa liegenden Kloster verwehrt. Noch am Tag des Protestes wurde ein Kontrollposten auf der Tagtse Brücke über den Kyichu Fluß, über welche die Hauptverbindungsstraße zwischen Lhasa und dem Kreis Lhundrub führt, errichtet.

Der zweite Bürgermeister von Lhasa, Dargye (chin. Tajie) verkündete die Identifizierung des 7. Reting Rinpoche bei einer Pressekonferenz am 30. Dezember 1999, nur zwei Tage, nachdem der 17. Karmapa aus dem Kloster Tsurphu floh und seine Reise nach Indien antrat. Der Name des Knaben, Sonam Phuntsog, wurde im Januar bekannt gegeben. Der offiziellen Presse zufolge wurde die Suche in Übereinstimmung mit den "historischen Traditionen und religiösen Riten" vorgenommen. Nachdem eine Suchkommission aus dem Kloster Reting den Knaben gefunden hatte, wurde die Entdeckung "dem staatlichen Amt für religiöse Angelegenheiten mitgeteilt, welches die Regionalregierung der TAR beauftragte, formell Sonam Phuntsog zu billigen" (Zhongguo Xinwen She, 20 Jan.). Sonam Phuntsog, bei dem es sich um die dritte von der Zentralregierung der VRC "gebilligten und bestätigten" Reinkarnation (Xinhua, 19. Jan. 2000) handelt, wurde ebenso wie der von China gewählte Panchen Lama vom Dalai Lama nicht anerkannt.

Viele Tibeter äußerten Frustration und Wut über den Eingriff des atheistischen chinesischen Staates in das Reinkarnationssystem, eine ihrer wichtigsten religiösen Traditionen. Die Ausübung offizieller Kontrolle über dieses System als einem Mittel zur Heranziehung von "patriotischen religiösen Leuten" ist seit 1995 ein besonders heikles Thema in Tibet. Damals wurden viele Mönche in dem Kloster Tashilhunpo verhaftet, weil sie gegen die Einmischung der chinesischen Regierung in die Anerkennung des 11. Panchen Lama protestierten. Nachdem der Dalai Lama 1995 Gedhun Choekyi Nyima als die Wiedergeburt des 10. Panchen Lama anerkannte, wurden der Knabe und seine Familie von den Chinesen in Gewahrsam genommen, und ein anderer Kandidat, Gyaltsen Norbu, wurde inthronisiert. Chadrel Rinpoche, der Chef der Suchkommission und damalige Abt von Tashilhunpo, wurde wegen "Spaltung des Mutterlandes" und Lieferung von "Staatsgeheimnissen" an separatistische Kräfte im Ausland zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt.

Obwohl Reting von der offiziellen Presse allgemein als ein vorbildliches "patriotisches" Kloster gelobt wurde, wurden 1995 sechs seiner Mönche nach einem Zusammenstoß mit einem patriotischen Umerziehungsteam festgenommen. Laut Berichten wurde der Parteisekretär der TAR (Tibet Autonomous Region) Chen Kuiyuan gegen Ende 1995 zu einem Besuch in das Kloster eingeladen, um den "Erfolg" der patriotischen Umerziehung bekanntzugeben. Am Tag vor seiner geplanten Ankunft wurde ein Jeep des "Arbeitsteams" umgeworfen und in Brand gesetzt. Der Besuch wurde abgesagt und später 6 Mönche verhaftet, die zu Haftstrafen von 1 bis 8 Jahre verurteilt wurden. Drei dieser Mönche, Lobsang Tsondru, Trinley Tsondru und Trinley Tsultrim, büßen noch ihre Strafen in dem "Gefängnis No. 1 der TAR" (Drapchi) in Lhasa ab.

Der 5. Reting Rinpoche, der nach dem Tod des 13. Dalai Lama im Januar 1934 zum Regenten von Tibet ernannt wurde, spielte eine wichtige Rolle bei der Suche nach dem 14. Dalai Lama und nahm offiziell das Amt seines "älteren Tutors" ein. Später wurde er der geheimen Absprache mit den Chinesen gegen die tibetische Regierung bezichtigt und starb 1947 unter ungeklärten Umständen im Gefängnis. Nach der Machtübernahme der Chinesen in Tibet erhielt sein Nachfolger (1948-1997) im Alter von acht Jahren sein erstes öffentliches Amt. Dieser während der Kulturrevolution eingesperrte 6. Reting Rinpoche wurde Ende der siebziger Jahre rehabilitiert und wieder in mehrere offizielle Ämter eingesetzt. Wie der 10. Panchen Lama nahm er nach der Gefangenschaft eine weltliche Lebensweise an und heiratete.

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